Dienstag, 30. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

22

 

Kimyas gutes Deutsch

Wer sie fragt, wo sie herkomme, den schaut sie fragend an und antwortet nach einer Pause: „From Kenia.“

Sie ist dunkelbraun, groß und schlank. Eine schöne Afrikanerin. Zu ihrem weißen Spitzensommerkleid trägt sie eine helle Jacke und einen bunten Schal. Mit Vornamen heißt sie Kimya.

Sie ist die Tochter eines industriellen Rosenzüchters in Kenia, der ihr ein Studium an der School of Business an der Universität Nairobi ermöglichte. Von dort ging sie zur Fortsetzung ihres Studiums an die Cass Business, die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der University of London.

Wegen ihres einjährigen Postgraduiertenstudiums „Internationale Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung“ an der Humboldt Uni Berlin wohnt sie nun in einer deutsch-afrikanischen Wohngemeinschaft in Kreuzberg. In Berlin-Mitte macht sie einen Deutsch Individualkurs am Goethe-Institut.

Da am Wochenende die drei Mitbewohnerinnen da sein werden, hat Kimya alle zu einem kenianischen Essen eingeladen. Sie will Ugali kochen und hat sich deshalb im Internet vergewissert. How To Make Kenyan Ugali!1Watch how to make Semolina African Style! Enjoy it with African soups any time of day, apart of morning! This will make you heavy all day!“

Kimya serviert Ugali mit Hähnchenschenkeln, Kürbis und grünem Spargel auf Kürbisblättern. Dazu gibt’s weißen Riesling.

Anna, Jamila und Lisa sind begeistert von Kimyas Festessen.

Jamila erzählt von einem Plakat, das sie in Kreuzberg gesehen hat – mit einem Polizisten und der Schrift „KANN FRÜH und KANN SPÄTI“.

Und Lisa wirft ein, ja sie habe auch ein Plakat mit einer Polizistin gesehen, und darauf habe gestanden: „KANN 1. MAI und KANN 1. SCHULTAG“2

„Was soll das bedeuten?“ fragen Jamila und Lisa wie aus einem Munde.

„Das ist kompliziert“, antwortet Anna, „es kommt von Obamas „Yes We Can. Die Berliner Polizei will sagen, dass sie etwas beherrscht, was sie bisher nicht beherrschte.“

„Aber es ist schlechtes Deutsch“, sagt Kimya.

 

1 Ugali ([u’ ga li]) ist die in der ostafrikanischen Sprache Suaheli verwendete Bezeichnung für einen Getreidebrei aus Weizen- oder Maismehl, der zu relativ fester Konsistenz gekocht wird. Wikipedia

2 „Wir können Hauptstadt“ – Unter diesem Motto präsentierte die Berliner Polizei Mitte August 2019 eine neue Imagekampagne.

 

 

klick!

Montag, 29. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

21

Gedicht 









H. D. Quarz

 

Was will ich einkaufen?

 

Milch und Hühnerbeine

Jogurts und Molke

Mandarinen und Gurken?

 

Hühnermilch und Beine

Jogmol und Urtske

Mangur und Kendarinen?

 

Beinemilch und Hühner

Molurts und Kejog

Arinengur und Kendman?

 

Nein!

Milch und Hühnerbeine

Jogurts und Molke

Mandarinen und Gurken!

 

 

klick!

Sonntag, 28. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 20

Philipps Amorphophallus

Frisch rasiert – der neue Rasierschaum ist klasse! – sitzt Philipp auf seinem kleinen Balkon am Südwestkorso. Es ist ruhig, sehr warm und dunkel, nur sein solar gespeistes Einmachglas spendet gemütliches Balkonlicht. Wie schon vorgestern trinkt er einen Cocktail mit Batida de Coco, braunem Zucker, Pepsi, Limetten. Er übt das Drinkmixen, schließlich möchte er einen Unforgettable Party-Drink hinkriegen. Gestern Abend hat er schon einen Cocktail gemixt, aber den fand er nicht so super. Heute hat er einen nach einem Rezeptvideo im Internet gemixt; so tastet sich Philipp an beste und wirksamste Drinks heran.

Philipp ist Student und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der staatlichen Beuth Hochschule für Technik Berlin. Er studiert „Gartenbauliche Phytotechnologie“, ein Masterstudiengang am Fachbereich V mit dem Abschluss (B. Sc.) Bachelor of Science.

Seitdem Philipp seine Nachbarin Yasemin zufällig auf einer Party von Kollegen kennengelernt hat, ist er schwer in sie verliebt. Yasemin Eren heißt sie, und sie studiert wie er an der Beuth Hochschule, im Studiengang Geoinformation. Sie wisse noch nicht, wo sie hinwolle, zur Kartographie oder zur Vermessungstechnik.

Yasemin wohnt wie er in Schöneberg, gar nicht so weit weg. Philipp will sie einladen, um ihr seinen eineinhalb Meter hohen Amorphophallus zu zeigen und um eventuell mit ihr dessen Aufblühen zu beobachten. In den nächsten Nächten ist es so weit. Aber der Duft des Amorphophallus ist natürlich sehr unangenehm. Er stinkt fürchterlich, nach Verwesung, nach Tod und Jauche. Kann er ihr diesen Gestank zumuten? Soll er das wirklich versuchen? Andererseits, wenn sie den nicht aushalten kann, ist sie auch nicht die Richtige für ihn.

O! Es ist soweit, das Blütenblatt beginnt sich zu öffnen! Philipp ruft Yasemin Eren an. Ob sie Lust habe, das Öffnen seines Amorphophallus mit zu erleben? Er hat Glück, sie ist am Apparat.

Philipp jubelt innerlich. Ja, hat Yasemin gesagt, in zehn Minuten könne sie bei ihm sein.

Es brummt. Er öffnet die Tür. Yasemin steht in heller Sommerbluse und Jeans vor ihm. Er führt sie in die Küche, mixt gekonnt und schnell seinen „Unforgettable“, führt sie zum kleinen Balkon. Beide prallen zurück.

Der Amorphophallus verströmt seinen Pestgestank – und Philipp wendet sich um – und sie küssen einander, während sie noch die Gläser mit seinem Unforgettable in Händen halten.

 

 

klick!

Samstag, 27. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 19

Smartes Handling

 

Am Samstag in der der Bio Company steht ein großer Mann vor mir an der Fleischtheke. Ich sehe, dass er immer erst auf sein Smartphone guckt, bevor er dem Fleischverkäufer seinen nächsten Wunsch nennt.

„Hat Ihre Frau Ihnen einen Einkaufszettel aufs Smartphone geschickt?“ frage ich ihn neugierig und unvermittelt von hinten. Sich zur mir umdrehend, sagt der große und, wie ich jetzt sehe, junge Mann vor mir freundlich: „Nein, meine Frau und ich benutzen eine Einkaufsliste-App, auf der wir notieren, was wir einkaufen müssen. Was ich einkaufe oder eingekauft habe, kann meine Frau auf ihrem Smartphone sehen und umgekehrt.“

In diesem Augenblick fragt der Fleischverkäufer etwas, und der junge Mann vor mir wendete sich wieder um.

Nach Hause zurückgekehrt, gebe ich bei Google „Einkaufsliste-App“ ein und lese, wie diese App funktioniert und was sie für das Einkaufen leistet, nämlich:

„Übersichtlichkeit: Im Supermarkt will man auf den ersten Blick seinen geplanten Einkauf überblicken können. Leichtes Handling: Wer im Supermarkt mit dem Smartphone in der Hand nicht ständig Menschen anrempeln will, der braucht eine App, die sich einhändig bequem bedienen lässt. Inhalte abhaken: Was im Warenkorb liegt, sollte aus der Liste verschwinden, damit diese übersichtlicher wird und so nicht untergeht, was am Ende noch nicht gekauft wurde“.

Da begreife ich, dass aufgeweckte junge Menschen heutzutage ihre Einkaufszettel nicht mehr auf Papierchen zu schreiben brauchen.

Ich jedoch möchte keine Einkaufsliste-App auf meinem Smartphone haben. Ich würde sie lästig finden, weil ich das Tippen auf die winzigen Smartphonetasten nicht mag, weil es umständlicher ist – und weil ich lieber auf quadratische Notizzettel schreibe, was ich brauche. Außerdem brauche ich die Einkäufe mit niemanden abzustimmen.

Wenn ich mir aber vorstelle, wie es gewesen wäre, wenn es 1968 schon Smartphones und Einkaufsliste-Apps gegeben hätte, dann hätten Monika und ich garantiert Einkaufsliste-Apps heruntergeladen und benutzt.

1968 waren wir doch Avantgarde.

 

 

klick!

Donnerstag, 25. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 18

Aufbruch mit Mozzi


 Es ist schon Nachmittag. Estelle packt, und die zehnjährige Zoé hilft ihr dabei. Am Abend wollen sie starten. Zuerst eine Woche bei Erics Eltern in Pontoise verbringen und später weiter fahren in die Bretagne, nach Camaret-sur-Mer, wo ihnen Erics Freund Luc sein Wochenendhaus und sein Boot für den August zur Verfügung stellt. Kleine Radtouren in der Bretagne hat Eric auch geplant.

Marvin sieht in der Tiefgarage zu, wie sein Vater Eric alle vier Räder auf dem Fahrrad-Dachträger montiert. Als er fertig ist, bittet er Marvin nach oben zu gehen, und zu schauen, wie weit Estelle und Zoé mit dem Packen sind.

Sie sind immer noch beim Packen. Marvin hat den kleinen Rucksack mit seinen Sachen und den Büchern längst gepackt und morgens schon in den Flur gestellt.

„Mutti, was soll ich tun?“ fragt Marvin.

„Du könntest Frau Schäfer fragen, ob Du etwas für sie besorgen kannst.“

Marvin geht die Treppe runter und schellt bei Frau Schäfer. „Seid Ihr noch da? Komm rein. Möchtest Du einen Alpenriegel?“ „Ja.“

„Könntest Du für mich etwas aufschreiben?“ „Ja“, antwortet er zögerlich.

„Dann diktiere ich Dir, was Elisabetta morgen für mich einkaufen soll. Hier, schreib’ auf die Rückseite“. Frau Schäfer nimmt den schmalen Rücksendungsschein, der neben dem leeren Karton auf der Couch liegt, und dreht ihn um.

Dann diktiert sie ganz langsam: „Ein Mal Alpenbutter, vier Mal Joghurt, sechs Mal Mozzi“. „Was ist Mozzi?“ „Das sind Käsebällchen. Kennst Du die nicht?“ „Nein.“ Frau Schäfer diktiert weiter, und langsam schreibt Marvin alles auf. – Das dauert. Es schellt. „Bitte, geh Du zur Tür“, sagt Frau Schäfer. Marvin öffnet die Tür. Vor ihm steht seine Schwester Zoé. „Du sollst hoch kommen, wir essen noch ’was.“ Marvin läuft zurück zu Frau Schäfer und verabschiedet sich.

Oben sieht er sofort und mit Befriedigung, dass sein Rucksack nicht mehr im Flur steht.

„Was hast Du bei Frau Schäfer gemacht?“ fragt Estelle. „Sie hat mir viele Sachen aus dem Supermarkt diktiert, und ich habe sie aufgeschrieben.“

Marvin guckt auf seinen Teller und die Teller der anderen. „Was ist das?“ Estelle und Zoé antworten wie aus einem Mund: „Das sind Mozzi!“

 

 

Mittwoch, 24. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

17

Flo und die Griffel

 

Juliyas ukrainisch-kyrillische Schrift ist zwar nicht ganz so schön wie die von Flo, aber sie erinnert mich an ihn, an Flo Tr.1

Flo kam 1954/55 in unsere Klasse im naturwissenschaftlichen Couven-Gymnasium in Aachen. Flo war in der Sowjetunion in die Schule gegangen. In Mathematik war er sehr gut, aber in Deutsch hatte er Probleme. Obwohl Flo ein guter Kumpel war, blieb er in der Klasse Außenseiter.

Was mir sofort auffiel: Wenn Flo etwas an die Klassentafel schreiben musste, schrieb er in einer exakten lateinischen Schreibschrift, in Schönschrift – so schön, dass ich es wie gedruckt empfand. Auch wenn ich ihn bat, etwas Russisch-Kyrillisches zu schreiben, schrieb er mit dieser besonders schönen Schreibschrift.

In meinem späteren Leben wurde ich immer, wenn ich russische Handschriften sah, an die schöne Schreibschrift von Flo erinnert. Offenbar erwerben in Russland und anderen slawischen Ländern noch heute alle eine besonders gleichmäßige schöne kyrillische Handschrift.

Vielleicht würde auch in Deutschland noch heute, wie in meiner Kindheit, schön geschrieben, wenn es im Laufe der Jahre nicht so viele Reformen des Schriftlernens im Schulunterricht gegeben hätte. Die erste Reform, von der die Jahrgänge um 1960 herum betroffen waren, bestand in der Abschaffung des Schreiblernens mit Griffel auf Schiefertafel, Mitte der sechziger Jahre. Was davon blieb: Der Spruch „Schwamm drüber!“

An dieser Stelle werfe ich einen Blick ins Internet und stoße unter www.schiefertafel-griffel.de auf Tafeln und Griffel. Dort lese ich:Schiefertafel und Griffel/Kunstgriffel werden auch heute wieder in der Grundschule verwendet. Durch das langsame Schreiben bedingt durch die „raue“ Oberfläche des Schiefers im Gegensatz zum stark geleimten (sehr glatten) Papier prägt sich die Schrift gut ein, und der Schüler entwickelt eine schöne Handschrift. Außerdem können Fehlversuche einfach feucht ausgewischt werden.“

Ja, ja, so sehe ich das auch.

 

[1] Flos Vater war der Ingenieur Dr. Wolf Tr., der dem Heereswaffenamt 1936 eine Kombination aus Granate und Strahltriebwerk vorgeschlagen hatte, und der infolgedessen bis 1944 an einem unbemannten Überschallflugkörper zur Überquerung des Atlantiks arbeitete. Tr. fiel bei Kriegsende in sowjetische Hände und arbeite bis 1952 an seinen Plänen. Spätere sowjetische Interkontinental-Flugkörper weisen große Ähnlichkeit mit dem von Tr. entwickelten Interkontinentalflugkörper auf. Siehe dazu: www.fliegerrevuex.aero/mach-35-interkontinentalflugkoerper-der-luftwaffe-1944/

 

 

klick!

 

Montag, 22. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

16

Die Zeichner   Schauspiel

Auf dem Theater. Erste Szene.

Offene dunkle Bühne. Wenn das Licht angeht, sieht man den Vorgarten des Restaurants „MΕΔΟΥΣΑ“. Im Vorgarten mehrere kleine Tische und ein langer. Nur wenige Gäste, zwei Kellner. Nach und nach treffen die Zeichner und Zeichnerinnen ein: Insgesamt dreizehn Personen. Man begrüßt einander mit Küsschen rechts und links. Einige Männer geben einander die Hand. Man nimmt am langen Tisch Platz und packt Skizzenbücher und Zeichenutensilien aus. Ein Kellner nähert sich dem Tisch. Alle bestellen ein Getränk.

Heinrich hält einige Fotokopien eines Einkaufszettels hoch. 

 

Heinrich: Sprechen wir jetzt über den Einkaufszettel oder erst später?

Christiane: Erst den Zettel!

Heinrich: Ich denk, den hat ein Mann geschrieben.

Christiane: Lass mich erst mal lesen.

Heinrich: Also, was denkt Ihr?

Christiane: Ja, es ist ein Mann mit Schrebergarten und Laube, und er ist Witwer.

Sylvia: In einer Kleingartenkolonie in Schmargendorf.

Christiane: Er ist Dermatologe und hat früher am Martin-Luther-Krankenhaus gearbeitet.

Sylvia: Wenn er da gearbeitet hat, müsste er eher Gynäkologe sein.

Heinrich: Wie alt ist er? Wie heißt er?

Außerdem: Können Dermatologen oder Gynäkologen Schrebergärtner sein?

Sylvia: Klar, die brauchen doch auch Natur und Entspannung.

Christiane: Er ist Witwer, lebt allein, ist 71 Jahre alt und heißt Eike, Prof. Eike Ohlsen. Um den Schrebergarten, den seine Frau früher betreute, kümmert er sich wenig, aber im Gedenken an seine Frau Ingrid hat er ihn behalten, lässt ihn von Nachbarn beaufsichtigen und fährt manchmal an Sonntagen zu ihm hin.

Heinrich: Wieso braucht er ein Silberputzmittel?

Christiane: Er hat sechs Frauen zu einem Kaffeetrinken mit Kuchen in seine Laube eingeladen und muss den angelaufenen silbernen Kuchenheber putzen.

Heinrich: Und wozu Essigessenz?

Sylvia: Seine Laubentoilette sieht fürchterlich aus, und Essigessenz braucht er gegen Urinstein.

Heinrich: Was ist mit den sechs Frauen?

Christiane: Eike ist, wie die sechs Frauen, Gasthörer in einem musikwissenschaftlichen Seminar von Prof. R. Eine der Frauen, Uschi M., findet Eike besonders nett und will sie kennenlernen. Damit das unauffällig passieren kann, hat er alle R.-Gasthörerinnen zu sich eingeladen.

Heinrich: Und damit die Frauen seine alte Standuhr bewundern können, muss er vorher noch eine Uhrwerksrevision durchführen lassen! Aber was ist mit den Haferflocken?

Christiane: Die braucht er für sein Müsli.

 

Jetzt wenden sich auch Christiane, Sylvia und Heinrich ihren Skizzenbüchern zu und beginnen zu zeichnen.

 

 

klick!

 

Sonntag, 21. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

15

Annikas Altbauwohnung

 Sollte sie ihn verlassen? Könnte sie ihn verlassen? Aber wo sollte sie hin? Sie hatte ja keine Rente. Würde er die Trennung zulassen, würde er ihre eine kleine Wohnung finanzieren? Wie würden die Kinder reagieren?

Da rief er wieder aus dem Wohnzimmer. Sie erinnerte sich, dass er wegen des Besuchs seiner Kollegen am Donnerstag etwas besorgt haben wollte. Seit fast einem Jahr sprach sie kaum noch mit ihm. Wie hatte sich das entwickelt?

Das wollte sie jetzt nicht denken. Was sie permanent denken musste: Dass sie ihn nicht mehr liebte!

Da rief er schon wieder. Widerspenstig und langsam ging sie zu ihm ins Wohnzimmer. Er saß in seinem Sessel. Und natürlich lief der Fernseher – wie immer viel zu laut, irgendwas mit Tieren in Afrika.

Es roch nach ihm. Ja, sie musste ihn verlassen, egal, was die Familie dachte. Wenn sie ihn vergiftete, hätte sie sein Geld und könnte in der Wohnung bleiben. Aber sie wollte seinetwegen nicht in den Knast. – Sein Einkaufszettel lag auf dem Wohnzimmertisch.

Berliner Pils, soviel Du in den Einkaufswagen kriegst. Eine Flasche Apfel, Pommes Royal, eine Flasche Birne, Williams. Und drei herbe Schoppenweine, einmal Gotteshilfe, ein Rosé und ein weißer Spätburgunder, so um acht Euro.“

Ohne etwas zu sagen, nahm Jutta seinen Einkaufszettel, ging in den Flur, nahm den Einkaufswagen und zog los.

Am Donnerstag also wieder die zwei oder drei von der BSR, die, mit denen er zuletzt auf dem Recyclinghof zusammen gearbeitet hatte. Gott sei Dank, dass das aufgehört hatte. Was hatte er nicht alles von dort angeschleppt! Besonders die Uraltradios, die er reparieren wollte. Und von ihr verlangt, dass sie sein Zimmer, seine Werkstatt, putzte!

Vor der BSR hatte Walter als Elektriker in einem guten kleinen Radiogeschäft in Steglitz gearbeitet. Das Geschäft gab es schon lange nicht mehr. Damals hatte sie ihn noch geliebt.

Auf dem Heimweg traf sie Annika, ihre beste Schulfreundin. Annika lebte nach dem Tod ihres Mannes allein in einer großen Altbauwohnung.

Plötzlich hatte Jutta eine Idee, und sie lud Annika zu einem Stück Kuchen drüben beim Italiener ein.


klick!

 

 

Samstag, 20. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

14

Sauer bei 38°

Sie kann ja die drei, vier Sachen im Kopf behalten und braucht keinen Einkaufszettel.

Aber Luba, die aus Plowdiw stammt und ihr Diplom in Sofia gemacht hat, nutzt jede Gelegenheit, Deutsch schreiben und sprechen zu lernen.

Als Raffaela, ihre deutsche Freundin und Kinderkrankenschwester wie Luba, sie bittet, von Lidl Nudeln, Mayonnaise, Mais und Saure Gurken mitzubringen, übt sie wieder Schreiben; – aber wie schreibt man nun Saure Gurken? „Sauer“, „Saur“, „Saure“ oder Sauere“?

Sie fragt Raffaela, aber die weiß es in diesem Moment auch nicht. Beide müssen lachen, und Raffaela fällt ein: „Sauer macht lustig.“ Luba steckt den aus ihrem Übungsheft herausgerissenen Zettel in ihr Portemonnaie.

Aber heute, an ihrem freien Tag, wollen sie gemeinsam mit den Rädern zum Schwimmen an die Havel fahren.

Es ist heiß – Lubas Wetter-App zeigt über 38° C an. Bis Wannsee mit der S-Bahn, vom dort am Dänischen Löwen vorbei auf die Uferpromenade bis zur ersten Badestelle!

Angenehm zu radeln.

Da geschieht es.                                        Fortsetzung folgt.

 

 

klick!

 

Freitag, 19. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 13

Eine Berliner Familiengeschichte1

 Während Brigitte den aus der Wohnung ihrer Mutter mitgebrachten und auf dem Wohnzimmertisch ausgebreiteten Nachlass – Dokumente, Fotoalben, Fotos – sichtet und ordnet, fragt Manuela, was sie einkaufen solle, denn manchmal kauft Manuela, Brigittes Putzfrau, auch ein.

Brigitte ist unkonzentriert. Angesichts der Fotos denkt sie daran, was Oma Luzie ihr ein paar Monate vor ihrem Tod erzählt hat: Maria, Brigittes Mutter, sei gar nicht das Kind von Opa Lüttke. Der sei 1947 in einem sowjetischen Gefangenenlager gestorben. Maria sei ein Kind der vielen Vergewaltigungen, denen sie 1945 durch die russischen Soldaten ausgesetzt gewesen sei – wochenlang, so gut wie jeden dritten Tag!

Oma Luzie erzählte gewissermaßen ein bisschen vulgär und wegwerfend davon. Die Männer hätten sie nicht beschützen können. Schließlich hätten die Männer den Krieg verloren. Die ganze Nazi-Männerwelt sei untergegangen, nur Frauen und Mädchen hätten überlebt.

Da Brigitte einfällt, dass Götz, ihr Mann, nachmittags noch einkaufen will, bittet sie Manuela, dies und das auf dem Einkaufszettel wieder zu streichen.

Brigitte hatte 2004 bei Oma Luzie begriffen, warum ihre Mutter während der DDR-Zeit immer so begeistert von ihren Aufenthalten in der Sowjetunion erzählte, warum sie alle klassischen russischen Romane, von Puschkin bis Tolstoi, gelesen und warum sie Übersetzerin für Russisch geworden war. Und ihr ist auch klar, warum ihr eigenes Verhältnis zu Russland so sehr schwankt; mal ist sie für die EU-Sanktionen wegen der Krim-Annexion durch Russland, mal ist sie ganz dagegen.

Spätnachmittags setzt sich Götz zu Brigitte an den vollkommen mit Fotos und Fotoalben belegten Tisch, vervollständigt den von der Putzfrau geschriebenen Einkaufszettel und geht dann zum Einkaufen, während Brigitte sich weiter mit den Nachlässen ihrer tapferen Großmutter Luzie Lüttke und ihrer halbrussischen Mutter Maria Hanke beschäftigt.

 

[1] Familienzusammenhang: Großmutter Luzie Lückert (1914-2004), 1947 verwitwet / Tochter Maria Hanke geb. Lüttke (1946-2019) / Enkelin Brigitte Krüger geb. Hanke (1969) und deren Ehemann Götz Krüger (1968).

 

 

klick!

Mittwoch, 17. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

12

Das schwarze Isolierband

 Arne spendet viel zu oft Blut. Das liegt nicht nur an seiner Blutspende-App vom Roten Kreuz, die ihn immer wieder an den nächsten Termin erinnert. Auf sein fantastisches Gefühl, durch die Blutspenderei Leben zu retten, will er einfach nicht verzichten, sagt er jedes Mal.

Bitte bring’ schwarzes Isolierband mit, hat er heut’ morgen gesagt.

Sie muss dafür sorgen, dass Arne viel Leber isst, sagt sie sich, als sie den Einkaufszettel schreibt und die Abendessen für die Zeit nach Donnerstag plant. Freitag: Leber mit Zwiebeln, Sonnabend weißer Fisch mit Spinat, … Vielleicht kann Arnes Körper damit das fehlende Blut ersetzen.

Schwarzes Isolierband für Arne!?

Cathleen hatte ihre Ausbildung zur Friseurin im „Pompadour Exclusiv Salon“ in Jena gemacht. Mit ihren drei Freundinnen Pascal, Chantal und Jaqueline, alle drei Friseurinnen wie sie, war sie viel herumgekommen – Thailand, Mallorca, Antalya – ehe sie 2016 während eines Wochenendes in Berlin im Electric Club „Suicid Circus“ auf der Warschauer Straße in Friedrichshain Arne kennenlernte. Arne stammt aus Sömmerda.

Cathleen hatte schon viele Bekanntschaften mit jungen Männern gehabt, aber der explosive Arne war in ihr Leben eingeschlagen wie eine Bombe – genau so hatte sie es später Pascal, Chantal und Jaqueline erzählt.

Arne, so alt wie sie selbst, ein großer Mann mit echt-roten Haaren, rosa Wimpern, ein bisschen langsam, aber witzig und treu, war ein toller Typ. Als Kfz-Mechatroniker für Motorradtechnik bei BMW Group Berlin verdiente er auch echt gut.

Sie hatte sich sofort in ihn verliebt.

Seit Herbst 2018 leben sie zusammen in der kleinen Wohnung in Schöneberg, Kolonnenstraße.

Wozu braucht Arne das schwarze Isolierband?

Da sie sowieso noch zur Apotheke muss, kann sie es in der „Fahrradschmiede“ neben an besorgen.

Später hört sie Arne sagen: „Morgen klebe ich endlich das störende Pfeifen an deinem Fön ab.“

„Ach so“, flüstert Cathleen bei sich.

 

 

klick!

Dienstag, 16. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

11

 

 Dr. jur. Maike M-K., Referentin im Bundeskanzleramt

 

Maike ist in Eile. Es ist schon 18 Uhr. Sie will noch einkaufen. Danach muss sie wegen dieser Karrieristin, ihrer Chefin, noch einmal ins Bundeskanzleramt. Sie wird ein Taxi nehmen müssen.

Das Wichtigste ist jetzt: Vier Dosen Katzenfutter bis Dienstag, denn laut DHL-Sendungsverfolgung soll das Katzennassfutterpaket mit den zwei Multipacks und den Portionsbeuteln, das sie schon am Donnerstag bei Amazon gekauft hat, höchstwahrscheinlich erst am Dienstag eintreffen. Nachbarin Schäfer wird es entgegennehmen.

Gurke, Salat, Paprika, Zucchini, Kohlrabi braucht sie sowieso.

Was diese Selbstdarstellerin wohl vorhat?

Soll sie noch spätabends all die Worthülsen zur Digitalisierung für die Rede der Chefin am Sonntag auf der gamescom korrigieren und auf die Reihe bringen? Vermutlich.

Als bayrische Volljuristin mit Prädikatsexamen hatte sie wirklich Pech im Leben – aber sie hatte auch Glück gehabt. Nach der Scheidung hatte sie sich auf eine Stelle als Referentin in der CSU-Landesgruppe im Konrad-Adenauer-Haus beworben und sie bekommen. Damit war sie ganz zufrieden, und damit konnte sie sich die schöne große Altbauwohnung in Moabit am Spree-Ufer leisten.

Aber dann hatte sie dieser Karrieristin, mit der sie mal auf dem Gang zusammen gestoßen war – wobei sie beide einander vorgestellt hatten – etwas Anerkennendes über ihr mutiges und in der Öffentlichkeit skandalisiertes hautenges Latex-Design-Outfit gesagt. Darauf hatte die Staatsministerin für Digitales sie sozusagen entdeckt, um sie geworben und sie dazu gebracht, als Referentin mit besserer Besoldung zu ihr ins Bundeskanzleramt zu wechseln.

Mozzarella, Basilikum, Krabben, Senf, Joghurt und Schmand müssen immer im Kühlschrank sein, damit sie sich jederzeit ihre leckeren „Spontansalate“, spät aus dem Bundeskanzleramt zurückgekehrt, zubereiten kann.

In letzter Zeit ist das der Hochgenuss ihres Lebens, ihr bescheidenes Lebensglück: Bei einem TV-Krimi ins Sofa gekuschelt – neben sich die schnurrende Gigi – einen Salat mit Krabben oder einen mit Beeftatar zu genießen!

An Ausbruch ist nicht zu denken – aber sie freut sich auf das neue ayurvedische Shampoo.

 

 klick!

 

Sonntag, 14. November 2021

 

Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 10

Sändi bei Maren W.

 Dass sie eines Tages in der Community der „Lebensmittelretter“ für deren Webseite, speziell für den Bereich Festivals und food-sharing-Events, verantwortlich sein würde, das hätte sie sich nicht träumen lassen, als sie noch Klavierlehrerin war und ihr Geld hauptsächlich mit Gongbad & Meditation verdiente.

Maren war zwar schon in ihrem Elternhaus antikapitalistisch aufgewachsen, aber erst seit dem sie bei den Foodsharern war, kämpfte sie wirklich politisch – intensiv für die Legalisierung des Containerns. Das war eine Arbeit, bei der sie sich – gerade 36 Jahre alt geworden – richtig gut fühlte.

Wenn sie bloß diesen verfluchten Bello los wäre, diesen ewig wirbeligen Rüden, diese weiß-graue Promenadenmischung.

Maren hatte Sändi von ihrer Erbtante Christiane geerbt. Sie hatte Tante Christiane versprechen müssen, Sändi nicht in ein Tierheim zu geben und ihn bei sich zu halten – anders hätte sie wohl das prächtige Erbe nicht antreten können.

Hätte sie Sändi ausstehen können, hätte sie ihn geliebt, wäre es ja gut gewesen, aber so.

Sie hatte mit Google recherchiert, dass zuviel Süßes bei Hunden einen tödlichen Abfall des Blutzuckerspiegels auslösen konnte.

Also fügte sie dem Hundefutter, vor allem „Pferd mit Kartoffeln“ und „Rentier und Rind mit Steckrüben & Fenchel“, die Sändi immer gierig verschlang, jeden Tag eine gehörige Portion Agavendicksaft bei.

Sändi war auch schon ruhiger, dicker und langsamer geworden.

Ihr neuer Freund Daniel hatte einmal gefragt, warum sie dauernd Agavendicksaft einkaufe, und sie hatte geantwortet: „Weil er so verdammt gesund ist“.

Müsste ich nicht wenigstens ein schlechtes Gewissen haben, fragte sie sich, wenn sie sah, wie zärtlich Daniel und Sändi miteinander waren.

 

klick!

 

Samstag, 13. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

9

Der unglückliche Edo

 Edo1 schrieb Schinken und mag. Speck noch zusätzlich auf den Einkaufszettel. Im Kopf hörte er sich sagen: „Bis Berlin war es doch schön!“

Sein Blick fiel auf die Rückseite seines Einkaufszettels. Diese handgeschriebenen roten Zettel hatten sie noch gemeinsam überall im Wedding aufgehängt. Sie suchten einen Nachfolger, der den Gastronomie-Pachtvertrag für diese verdammte Location übernehmen würde. Sie hatten Pleite gemacht.

Quỳnh2 wütete, nannte ihn Loser –, packte schließlich ihre Sachen und verschwand, vermutlich zurück nach Hamburg.

Wo sie wohl steckte, was sie machte? Auf Anrufe und Mails reagierte sie nicht. Er trauerte sehr.

Sie hatten sich vor zwanzig Jahren während der Ausbildung in Hamburg in der BS 3, der Staatlichen Gewerbeschule Gastronomie und Ernährung, kennengelernt.

Quỳnh war sehr schön, sehr cool und sehr witzig, und sie waren beide sehr verliebt. Ihre Eltern, vietnamesische Boatpeople, die mit Rupert Neudeck Anfang der 80er nach Hamburg gekommen waren, hatten ihn schließlich doch akzeptiert, aber geheiratet hatten Edo und Quỳnh nicht.

Auf Quỳnhs Idee hin hatten sie nach ihrer Ausbildung mit einem billigen Kredit der Postbank an der Fuhlsbüttler Straße in Hamburg-Barmbek ein winziges Restaurant mit typisch-fernöstlicher Küche aufgemacht und es sehr erfolgreich betrieben.

Er aber hatte dann höher hinaus gewollt, und also waren sie nach Berlin gekommen und hatten diesen verdammten Fehler begangen, das Restaurant an der Brunnenstraße im Wedding zu pachten.

„Bis Berlin war es doch schön!“ hörte er sich im Kopf wieder sagen.

Er musste aufpassen, dass Lydia, mit der er jetzt einen Currywurst-Imbiss in Schöneberg betrieb, nicht merkte, dass er unablässig an Quỳnh dachte.

Als Lydia ihren Einkauf einräumte, stellte er ganz unbeabsichtigt fest, dass sie seinen Schinken und den mag. Speck vergessen hatte.

Eines Tages würde er Quỳnh in Hamburg suchen.



 



[1] Edo, Kurzform von Eduard

2 Quỳnh, vietnamesisch, Deutschlands beliebtester Mädchenname mit dem Anfangsbuchstaben Q.

Bedeutung: „Dunkelrot“.

 

 

klick!

Freitag, 12. November 2021

 

Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

8

Familie Dr. med. Aleksander Kulikow

 

Barbara muss unbedingt darauf achten, dass immer genügend weißer geräucherter Speck im Kühlschrank ist. Denn Aleksander, Barbaras Ehemann, 43 Jahre alt, ein 1996 in die BRD „eingewanderter russischer Staatsbürger deutscher Abstammung“, wie er sich launig manchmal vorstellt, braucht den fetten weißen Speck zum Naschen und Entspannen, wenn er aus der Praxis nach Hause kommt.

Aleksander arbeitet nicht nur in seiner Praxis, sondern auch im Vorstand des ZIKS (Zahnärzte Initiative Köln-Süd) im DZV (Deutscher Zahnärzte Verband e.V.).

Aleksander spricht mit Nina russisch, damit sie zweisprachig aufwächst, schließlich hat er seine Russischkenntnisse in Deutschland als wertvollen Teil seines Humankapitals zu schätzen gelernt. Aleksander und Barbara investieren in Bildung, in Sprachen, Klavier, Ballett.

Barbara bringt Nina freitags zum „kreativen Kindertanz“ ins Tanzhaus auf der Aachener Straße. Später soll Nina auch mit klassischem Ballett anfangen.

Barbara ist jetzt Nurhausfrau – früher war sie zahnmedizinische Fachangestellte in Düsseldorf, wo sie Aleksander kennenlernte; seit ihrem gemeinsamen Leben in Lövenich besucht sie Russisch-Kurse in der Kölner Volkshochschule. Neuerdings bringt sie Nina, die erst nächstes Jahr in die Schule kommt, das Schreiben bei.

Nina sieht Barbara schreiben, drängt sich zu ihr auf den Schoß und sagt: „Я тоже хочу писать!“1 Da schreib Barbara für Nina ganz langsam und in Druckbuchstaben SPECK auf ihren Einkaufszettel und spricht es aus.

Plötzlich fragt Nina: „Мама, почему папа всегда ест сало? Почему он не хочет мюсли?“2

Abends, als Nina schläft und Barbara Aleksander seinen Happen Speck auf einer halben Scheibe Graubrot mit Früh-lingszwiebel hinstellt, fragt sie ihn danach, was Russen so im Allgemeinen eigentlich frühstückten.

Aleksander erklärt, dass ein traditionell russisches Frühstück Porridge – Haferbrei oder Grieß –, Tee und ein Butterbrot mit Käse oder Aufschnitt umfasst.

Aber er bestehe auf SPECK. – Das habe er vom Großvater.



 



1  Ya tozhe khochu pisat'! (= dt. Ich will auch schreiben!)

2  Mama, pochemu Papa vsegda est salo? Pochemu on ne khochet mjusli? (= Mama, warum isst Papa immer Speck? Warum mag er kein Müsli?)

 

 

klick!