Illustrierte Kürzestgeschichten
Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –
wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.
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Kimyas gutes Deutsch
Wer sie fragt, wo sie herkomme, den schaut sie
fragend an und antwortet nach einer Pause: „From Kenia.“
Sie ist dunkelbraun, groß und schlank. Eine
schöne Afrikanerin. Zu ihrem weißen Spitzensommerkleid trägt sie eine helle
Jacke und einen bunten Schal. Mit Vornamen heißt sie Kimya.
Sie ist die Tochter eines industriellen
Rosenzüchters in Kenia, der ihr ein Studium an der School of
Business an der Universität Nairobi ermöglichte. Von dort ging sie zur Fortsetzung ihres
Studiums an die Cass Business, die
wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der University of London.
Wegen ihres einjährigen Postgraduiertenstudiums
„Internationale
Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung“ an der
Humboldt Uni Berlin wohnt
sie nun in einer deutsch-afrikanischen Wohngemeinschaft in Kreuzberg. In Berlin-Mitte
macht sie einen Deutsch Individualkurs am Goethe-Institut.
Da am Wochenende die drei Mitbewohnerinnen da
sein werden, hat Kimya alle zu einem kenianischen Essen eingeladen. Sie will
Ugali kochen und hat sich deshalb im Internet vergewissert. „How To Make Kenyan Ugali!1 – Watch how to make Semolina
African Style! Enjoy it with African soups any time of day, apart of morning!
This will make you heavy all day!“
Kimya serviert Ugali mit Hähnchenschenkeln,
Kürbis und grünem Spargel auf Kürbisblättern. Dazu gibt’s weißen Riesling.
Anna, Jamila und Lisa sind begeistert von Kimyas
Festessen.
Jamila erzählt von einem Plakat, das sie in
Kreuzberg gesehen hat – mit einem Polizisten und der Schrift „KANN FRÜH und
KANN SPÄTI“.
Und Lisa wirft ein, ja sie habe auch ein
Plakat mit einer Polizistin gesehen, und darauf habe gestanden: „KANN 1. MAI
und KANN 1. SCHULTAG“2
„Was soll das bedeuten?“ fragen Jamila und Lisa
wie aus einem Munde.
„Das ist kompliziert“, antwortet Anna, „es
kommt von Obamas „Yes We Can. Die Berliner Polizei will sagen, dass sie etwas
beherrscht, was sie bisher nicht beherrschte.“
„Aber es ist schlechtes Deutsch“, sagt Kimya.
1 Ugali ([u’ ga li]) ist die in der ostafrikanischen Sprache Suaheli verwendete
Bezeichnung für einen Getreidebrei aus Weizen- oder Maismehl, der zu relativ
fester Konsistenz gekocht wird. Wikipedia
2 „Wir können Hauptstadt“ –
Unter diesem Motto präsentierte die Berliner Polizei Mitte August 2019 eine
neue Imagekampagne.
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