Illustrierte Kürzestgeschichten
Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –
wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.
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Der unglückliche Edo
Sein Blick fiel auf die Rückseite seines Einkaufszettels. Diese
handgeschriebenen roten Zettel hatten sie noch gemeinsam überall im Wedding
aufgehängt. Sie suchten einen Nachfolger, der den Gastronomie-Pachtvertrag für
diese verdammte Location übernehmen würde. Sie hatten Pleite gemacht.
Quỳnh2 wütete, nannte ihn Loser –, packte
schließlich ihre Sachen und verschwand, vermutlich zurück nach Hamburg.
Wo sie wohl steckte, was sie machte? Auf Anrufe und Mails
reagierte sie nicht. Er trauerte sehr.
Sie hatten sich vor zwanzig Jahren während der Ausbildung
in Hamburg in der BS 3, der Staatlichen
Gewerbeschule Gastronomie und Ernährung, kennengelernt.
Quỳnh war sehr schön, sehr cool und sehr witzig, und sie
waren beide sehr verliebt. Ihre Eltern, vietnamesische Boatpeople, die mit
Rupert Neudeck Anfang der 80er nach Hamburg gekommen waren, hatten ihn
schließlich doch akzeptiert, aber geheiratet hatten Edo und Quỳnh nicht.
Auf Quỳnhs Idee hin hatten
sie nach ihrer Ausbildung mit einem billigen Kredit der Postbank an der Fuhlsbüttler Straße in Hamburg-Barmbek ein winziges Restaurant mit typisch-fernöstlicher Küche aufgemacht und es
sehr erfolgreich betrieben.
Er aber hatte dann höher hinaus gewollt, und also waren
sie nach Berlin gekommen und hatten diesen verdammten Fehler begangen, das
Restaurant an der Brunnenstraße im Wedding zu pachten.
„Bis Berlin war es doch schön!“ hörte er sich im Kopf
wieder sagen.
Er musste aufpassen, dass Lydia, mit der er jetzt einen
Currywurst-Imbiss in Schöneberg betrieb, nicht merkte, dass er unablässig an
Quỳnh dachte.
Als Lydia ihren Einkauf einräumte, stellte er ganz
unbeabsichtigt fest, dass sie seinen Schinken und den mag. Speck vergessen
hatte.
Eines Tages würde er Quỳnh in Hamburg suchen.
[1] Edo, Kurzform von
Eduard
2
Quỳnh, vietnamesisch, Deutschlands beliebtester
Mädchenname mit dem Anfangsbuchstaben Q.
Bedeutung: „Dunkelrot“.
klick!
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