Montag, 22. November 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

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Die Zeichner   Schauspiel

Auf dem Theater. Erste Szene.

Offene dunkle Bühne. Wenn das Licht angeht, sieht man den Vorgarten des Restaurants „MΕΔΟΥΣΑ“. Im Vorgarten mehrere kleine Tische und ein langer. Nur wenige Gäste, zwei Kellner. Nach und nach treffen die Zeichner und Zeichnerinnen ein: Insgesamt dreizehn Personen. Man begrüßt einander mit Küsschen rechts und links. Einige Männer geben einander die Hand. Man nimmt am langen Tisch Platz und packt Skizzenbücher und Zeichenutensilien aus. Ein Kellner nähert sich dem Tisch. Alle bestellen ein Getränk.

Heinrich hält einige Fotokopien eines Einkaufszettels hoch. 

 

Heinrich: Sprechen wir jetzt über den Einkaufszettel oder erst später?

Christiane: Erst den Zettel!

Heinrich: Ich denk, den hat ein Mann geschrieben.

Christiane: Lass mich erst mal lesen.

Heinrich: Also, was denkt Ihr?

Christiane: Ja, es ist ein Mann mit Schrebergarten und Laube, und er ist Witwer.

Sylvia: In einer Kleingartenkolonie in Schmargendorf.

Christiane: Er ist Dermatologe und hat früher am Martin-Luther-Krankenhaus gearbeitet.

Sylvia: Wenn er da gearbeitet hat, müsste er eher Gynäkologe sein.

Heinrich: Wie alt ist er? Wie heißt er?

Außerdem: Können Dermatologen oder Gynäkologen Schrebergärtner sein?

Sylvia: Klar, die brauchen doch auch Natur und Entspannung.

Christiane: Er ist Witwer, lebt allein, ist 71 Jahre alt und heißt Eike, Prof. Eike Ohlsen. Um den Schrebergarten, den seine Frau früher betreute, kümmert er sich wenig, aber im Gedenken an seine Frau Ingrid hat er ihn behalten, lässt ihn von Nachbarn beaufsichtigen und fährt manchmal an Sonntagen zu ihm hin.

Heinrich: Wieso braucht er ein Silberputzmittel?

Christiane: Er hat sechs Frauen zu einem Kaffeetrinken mit Kuchen in seine Laube eingeladen und muss den angelaufenen silbernen Kuchenheber putzen.

Heinrich: Und wozu Essigessenz?

Sylvia: Seine Laubentoilette sieht fürchterlich aus, und Essigessenz braucht er gegen Urinstein.

Heinrich: Was ist mit den sechs Frauen?

Christiane: Eike ist, wie die sechs Frauen, Gasthörer in einem musikwissenschaftlichen Seminar von Prof. R. Eine der Frauen, Uschi M., findet Eike besonders nett und will sie kennenlernen. Damit das unauffällig passieren kann, hat er alle R.-Gasthörerinnen zu sich eingeladen.

Heinrich: Und damit die Frauen seine alte Standuhr bewundern können, muss er vorher noch eine Uhrwerksrevision durchführen lassen! Aber was ist mit den Haferflocken?

Christiane: Die braucht er für sein Müsli.

 

Jetzt wenden sich auch Christiane, Sylvia und Heinrich ihren Skizzenbüchern zu und beginnen zu zeichnen.

 

 

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