Illustrierte Kürzestgeschichten
Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –
wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.
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Mückenschutz
Sie begann an der FU mit dem Studium Geowissenschaften.
Bodenkunde, Fossilienkunde, Erdgeschichte, Gesteinskunde, Kartografie, für all
das hatte sie sich in den letzten beiden Jahren sehr interessiert.
Oberstudienrat Dr. Nussbaum hatte ihr das alles nahegebracht, und in
Mathematik, Physik und Chemie hatte sie auch sehr gute Noten.
Aber nachdem sie sich ihre Seitenflügelwohnung
wohnlich eingerichtet hatte, spürte sie, dass es ihr genauso ging, wie etlichen
ihrer Mitschülerinnen. Sie
möchte erstmal ein Jahr lang reisen und die Welt erkunden, ehe sie mit dem
Studium begänne. Am schönsten fände sie es, wenn sie alle
Erdteile besuchen könnte. Geld hatte sie gespart, und wenn es nicht reichte,
könnte sie ja jobben.
Da sie Spanisch gelernt hatte, wollte sie sich
zu erst in Mexiko umsehen, im zentralen Hochland mit seinen Vulkanen und
Maya-Ruinen wandern, dann im Norden Mexikos bei Casas Grande die Bergwälder und
prähistorischem Felsmalereien erkunden und schließlich über Yucatán mit seinem tropischen Klima nach
Mexiko-Stadt zurückkehren. Sie bereitete sich sehr gut vor, las viel über Land
und Leute, ließ sich Gelbfieber impfen und kaufte selbst eine Menge Mückenschutz ein,
schlug die Warnungen ihrer Eltern und die des Auswärtigem Amtes wegen der Drogenkriege
in den Wind, wollte ihre Wohnung gerade untervermieten und hätte sich das
Flugticket gekauft, wenn nicht just Ende Februar die Corona-Pandemie bedrohlich
aktuell geworden wäre.
Jetzt hing sie fest in Berlin, in ihrer kleinen Einzimmerwohnung mit Küche, Flur und Bad im Seitenflügel in der Schillerpromenade. Die FU-Lehrveranstaltungen in Geowissenschaften liefen in digitaler Form ab. Es gab keine Präsenzveranstaltungen. Immerhin konnte sie in den Parks und im Grunewald joggen – aber was war das verglichen mit ihrer geplanten Abenteuerreise durch Mexiko.
Sie fühlte sich sehr
schlecht, hatte Gliederschmerzen und das Gefühl, einen grippalen Effekt zu haben.
Sie brauchte also ein Erkältungsbad und Nasenspray gegen ihren akuten Schnupfen. Und weil alles
unendlich frustrierend war, brauchte sie jetzt Chips, Schwipp-Schwapp
und knisterndes Kaktuseis. Müllbeutel. Küchenpapier
und Schwämme
müssten auch her, um endlich wieder die Küche aufzuräumen, sobald es ihr etwas
besser ging.
Im Flur sah sie die
vier Dosen tropentauglichen Insektenschutz und knochentrocken realistisch fragte
sie sich: „Michelle, glaubst Du, dass Du je nach Mexiko kommst?“
klick!
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