Illustrierte Kürzestgeschichten
Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –
wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.
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Ioana und Sabije
Hinter diesem kleinen Zettel verbirgt sich ein
großes gemeinsames Essen, das Fastenbrechen nach Sonnenuntergang.
Ioana, eine stolze Pomakin hat diesen
Einkaufszettel geschrieben, damit Gergana genau weiß, was sie für ihre Mutter
einkaufen soll. Iona will Ramadan-Suppe
mit Kichererbsen, Börek mit Feta, gefüllte
Paprika mit Hackfleisch, Maisgries mit Pinienkernen,
Frauenschenkel-Köfte und knusprige Geflügelstreifen zubereiten. Zum Abschluss
soll es Engelshaar-Desert geben. Ioanas dreißigjährige Tochter Gergana hilft
bei der Zubereitung. Eingeladen sind die pomakischen Freunde in Berlin.
Ioana putzt schwarz in verschiedenen, über ganz
Berlin verteilten Wohnungen, meistens zwei bis vier Stunden in jeweils zwei
Wohnungen pro Tag. Da alle ihre Auftraggeber viel mehr als den deutschen Mindestlohn
zahlen, verdient sie ziemlich gut und kann einiges sparen. Seit fast zwölf
Jahren putzt Ioana in Berlin und versorgt so die große Familie bei Plowdiw.
Alle drei Monate fährt sie im Sammelbus nach Plowdiw. Dann wird sie in Berlin
von einer ihrer drei Töchter abgelöst. Aber Dara fällt dieses Jahr aus, weil
sie ein Baby erwartet.
Ioana wohnt mit Gergana und deren Freund Todor, der als „Mann für alles“
eine gute Stelle bei einem Berliner Altbausanierer hat, in einer kleinen gemeinsamen
Wohnung, die ihnen ein bulgarischer Arzt ziemlich teuer vermietet.
Ioana trifft wenigstens einmal im Monat ihre alte Freundin Sabije aus
der Nähe von Plowdiw, ebenso Pomakin und Putzfrau. Sie treffen einander in
ihren kleinen Wohnungen. Aber wenn es draußen schön ist, treffen sie sich im
Körnerpark. Leise singen sie dort im Park ihre Volkslieder. Einmal
haben sie aufgezählt, wie viele pomakische Volkslieder sie singen können. Es
waren 136!
klick!
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