Sonntag, 30. Januar 2022

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

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Constanze und die Menschenaffen in der Elfenbeinküste 

 

In ihrer Eile griff Constanze zum Bestellschein aus dem Packet mit den Hygieneartikeln, die sie bei ARD/MED für ihre Tante bestellt hatte, faltete ihn einmal und schrieb dann ihre Einkaufsliste auf dessen Rückseite. Sie strukturierte ihren Einkaufszettel entlang der zu besuchenden Geschäfte in Charlottenburg. Sie musste nicht nur im Supermarkt und bei DM einkaufen, sondern auch in den Feinkost- und Delikatessenläden Butter-LINDNER und ROGACKI, denn es ging ja um das gemeinsame Osterfrühstück mit Claus, ihrem neuen Freund in Berlin.

Zum Ostersonntagsfrühstück sollte es traditionsgemäß, wie sie das aus ihrer Familie in Düsseldorf kannte, zu den bunten Ostereiern, die sie am Nachmittag mit den Eierfärbefarben noch färben musste, milde gepökelten Roséweinschinken und luftgetrockneten rohen Schinken geben, dazu ein Stück Aal und 200 gr. Nordseekrabben.

Im letzten Jahr hatte Constanze während eines geselligen Adventtreffens des „Rokkodokko“, des Robert Koch Doktorandenkollegs, Claus kennengelernt, den großen humorvollen Typ aus Köln, ebenfalls Veterinär, der die Praxis seines Vaters, Fachtierarzt für Pferde, in Willich, NRW, weiterführen wollte.

Sie waren beide sehr ineinander verliebt, hatten noch vor der Corona-Pandemie eine gemeinsame, äußerst erlebnisreiche und mit anregenden Museums- und Theaterbesuchen erfüllte Woche in Paris erlebt, hatten während der Rückreise nach Berlin Station in Düsseldorf-Oberkassel gemacht, wo Claus Constanzes Eltern und zweien ihrer jüngeren Geschwister vorgestellt worden war, was allerseits gut gelaufen war…

Und doch kriselte es seitdem in ihrer Beziehung, mal ganz leicht, mal schwer. Der Grund: Constanze wollte weiterhin forschen, aber Claus wollte die Praxis eröffnen…


Im Februar/März arbeitete Constanze an ihrem Vorstellungstext, und als er schließlich fertig war, las sie ihn Claus laut vor: Meine Forschungsinteressen konzentrieren sich auf Infektionskrankheiten und globale Gesundheit, insbesondere auf Zoonosen. Ich habe einen veterinärmedizinischen Hintergrund und habe am deutschen Institut für öffentliche Gesundheit (Robert-Koch-Institut) promoviert. Ich arbeitete über wirbellose DNA und darüber, wie Schmeißfliegen (Calliphoridae) zur Überwachung von Infektionskrankheiten bei Wildtieren in entlegenen tropischen Lebensräumen eingesetzt werden könnten. Meine Arbeit konzentrierte sich auf ein erst kürzlich aufgetauchtes Bakterium, das bei Menschenaffen in der Elfenbeinküste Milzbrand verursacht. Neben meiner akademischen Laufbahn habe ich mich mit Design Thinking beschäftigt und möchte in Zukunft Design Thinking zur Bewältigung globaler Gesundheitsprobleme einsetzen.

Prima! Claus kapierte natürlich sofort, dass ihr Text auf die Veterinär-Epidemiologie der FU Berlin und der Uni Potsdam hinzielte.

Aber Claus wusste auch, dass seine Freunde in der Aachen School Of Innovation Constanze eine attraktive Forschungsstelle für ihre Design-Thinking-Ideen anbieten wollten. 

Aachen wäre von Willich aus in gut einer Stunde mit Pkw zu erreichen.

Insofern blieb er ganz gelassen und war sehr lieb.

 

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