Illustrierte Kürzestgeschichten
Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –
wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.
53
Seidenweich
Jördis, Wissenschaftsjournalistin (37), hatte
gestern bei Sonnenschein die offene Loggia für den Frühling zurechtgemacht, sie
geputzt, den Tisch abgewaschen und die Balkonsessel von der Hintertreppe
geholt. Die Frühlingsblüher für die Kästen wollte sie am Samstag auf dem
Wochenmarkt kaufen. Außerdem musste sie an eine neue 5-Liter-Gießkanne
denken.
Als sie morgens im Tagesspiegel las „Was ist noch erlaubt und
was nicht: Die wichtigsten Fragen im Überblick“, begriff sie, dass sie auf dem
Wochenmarkt keine Gießkanne würde kaufen können, weil dort nur noch Lebensmittel
angeboten werden durften. An den Kauf eines neuen Bügelbretts, das sie in einem
der großen Kaufhäuser zu finden hoffte, war erst recht nicht zu denken.
„Grundsätzlich müssen alle Verkaufsstellen schließen“, und die aufgezählten Ausnahmen
waren: „Lebensmitteleinzelhandel, Abhol- und Lieferdienste, Apotheken,
Sanitätsbedarf, Drogerien, Tankstellen, Waschsalons, Bau- und Gartenmärkte,
Tierbedarf, Fahrradgeschäfte und Handwerkerbedarf“.
Nach ihrem Einkauf stellte sie zu Hause verwundert
fest, dass sie das Paket Toilettenpapier vergessen hatte – dabei hatte sie doch
im Supermarkt Küchenrollen gekauft, die direkt neben den Klopapierrollen lagen.
Sie tröstete sich damit, dass sie im Badezimmer hinter dem Wäschekorb noch ein
unangebrochenes Paket stehen wusste.
Nach dem Einräumen der Einkäufe setzte sie
sich an den PC und überlegte, ob es sie jetzt reizen könnte, doch über die
deutschen Hamsterkäufe von Hygienepapier zu schreiben. Kopfschüttelnd vor den
leeren Supermarktregalen stehend, hatte sie in den letzten drei Wochen mehrfach
daran gedacht, schreibend die Gründe für das wahnsinnige Hamstern aufzudecken.
Quatsch, dachte sie, das lohnt nicht, die Kollegen, die Satiriker und die
Kabarettisten haben schon genug Geistesblitze dazu produziert.
Im Berliner Mauerpark in Prenzlauer Berg gab
es sogar schon ein gespraytes Wandbild dazu. Es zeigte die Tolkien-Figur des
knochig verhärmten und schatzhortenden Gollum mit einer Rolle Klopapier und der
Sprechblase „Mein Schatz!“ – womit nicht nur die Mühseligkeit des Erbeutens,
als auch die Verbissenheit zu dessen Verteidigung angedeutet war. Das
einprägsame Wandbild hatte Jördis nicht real gesehen, sondern nur dessen Foto
in der FAZ.
Als sie abends per Facetime im Gespräch mit ihrer
Kollegin Miriam wieder auf das Hamster-Thema kam, verblüffte es sie sehr, dass
Miriam ihr empfahl, doch wie sie selbst Toilettenpapier online bei
smoothpanda.de zu bestellen. Plastikfrei, umweltschonend
und reißfest, etwas teurer zwar, aber das sei die Alternative, wenn man das
graue Recyclingpapier nicht möge. Smooth Panda, die deutsche Marke für Klopapier
und Taschentücher aus Bambus – sie solle sich mal im Internet informieren. Bambuspapier
– das komme zwar auch aus China, sei aber seidig-sanft,
– sie werde es merken.
klick!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen