Illustrierte Kürzestgeschichten
Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –
wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.
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Björn erkennt sofort, dass es sich um einen
Einkaufszettel handelt, nimmt ihn auf, überfliegt ihn, liest die Worte Duschgel und Rasierschaum,
ist davon wie elektrisiert, legt aber den Zettel wieder aufs Pflaster, vorsichtig
und jetzt auch ein wenig komponierend – schräg gegen schräg – zieht das
Smartphone aus der Hosentasche und fotografiert den Einkaufszettel auf dem
Pflaster. Dieses Foto will er am Nachmittag auf seinem Foto-Blog
veröffentlichen. Den Zettel hebt er auf und wirft ihn in den nächsten Abfalleimer.
Björn (52), groß und hager, mit Brille, skeptisch-wachen
Augen, auf Selfies immer grimassierend, ein Sprachspieler, Wortzauberer,
Erzähler und Dichter – er nennt sich selbst schlicht „Autor“ – verdient sein
Geld als Grafikdesigner, arbeitet sich an typografischen Aufträgen ab und
entwickelt mit und für seine mittelständische Kundschaft komplette Logosysteme
etc. – Zu seinem Vergnügen schreibt er humorvolle Nonsensgedichte, reimt kluge
satirische Texte zum Lauf von Welt und Gesellschaft und sendet sie an eine
Hauptstadtzeitung, die seine Werke alle Donnerstage veröffentlicht. Außerdem
kümmert er sich täglich um die Internetpublikation seiner permanent frisch
sprießenden Ideen, indem er seinen Foto-Blog betreibt und seine Webseite mit
neuen Texten und Zeichnungen pflegt.
Björn liebt Tanja.
Tanja (51), ein bisschen rundlich,
Lachgrübchen, immer vergnügt, ist Produktdesignerin. Tanja verdient seit drei
Jahren recht gut an den von ihr designten Sporttaschenkollektionen, die sie aus
dem Stoff und dem Leder alter ausgemusterter Sportmatten und aus ausrangierten
Feuerwehranzügen von einer kleinen Werkstatt herstellen lässt. Drei Läden, je
einer in Dortmund, Köln und Berlin verkaufen ihre Taschen mit sehr gutem
Erfolg, ja die Läden würden Tanja noch mehr Ware abnehmen, ließe sie nur mehr
Sporttaschen produzieren.
Björn und Tanja sind in Menden geboren und
aufgewachsen, sind unabhängig voneinander zwecks Ausbildung ein paare Jahre
zwischen Menden und Dortmund gependelt und leben seitdem zusammen in Menden.
Sie mögen Menden, seine Atmosphäre, die Mendener
Altstadt, die kleinen restaurierten Fachwerkhäuser, die stillen Gassen, Mendens
Ruhe und Bescheidenheit.
Wenn Björn und Tanja samstags mit den Einkäufen
nach Hause gekommen, alles verstaut und aufgeräumt haben und bei einer Tasse
Kaffe beisammen sitzen, berichten sie einander, was sie beim Einkaufen im
Zentrum Mendens gesehen, gehört, erlebt, gedacht und empfunden haben.
Björn und Tanja sind sich mit Loriot einig:
„Ein Leben außerhalb von Menden ist möglich,
aber sinnlos.“
klick!
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