Dienstag, 25. Januar 2022

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

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Warten auf Maria und Moritz

 

Dr. rer. nat. und med. Stefan E., (42) der als Experte für Molekulare Neurobiologie und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Victor T. am Institut für Zell- und Neurobiologie der Charité vor drei Jahren nur einen befristeten Arbeitsvertrag erhalten hatte, war Ende Dezember 2019 aus seinem Arbeitsvertrag entlassen worden – ein sehr ungünstiger Moment. Stefan war nämlich im Begriff, eine Familie zu gründen.

Stefan E.’s Freundin, die aus Innsbruck stammende Zellbiologin Dr. Maria B. (36), die Stefan bei seiner letzten abenteuerlichen Wanderung in den Alpen – vor fünf Jahren hatte er den Entschluss gefasst, als Ausgleich zu seiner überbordenden Laborarbeit alljährlich einmal wandernd die Alpen zu entdecken – in der Mensa der medizinischen Uni Innsbruck kennengelernt und in den folgenden Monaten aufgrund des von Telefonat zu Telefonat, von Facetime- zu Facetimegespräch immer intensiver werdenden Kennenlernens zu lieben begonnen hatte, war ihm schließlich nach Berlin gefolgt.


Stefan und Maria wurden ein Paar.

Nachdem Stefan Maria seinem Chef, Prof. Victor T., vorgestellt, und dieser Maria sympathisch und äußerst kompetent gefunden hatte, erhielt auch Maria einen befristeten Arbeitvertrag am Institut für Zell- und Neurobiologie der Charité. Maria und Stefan waren nicht nur ein Paar geworden, sondern sie arbeiteten auch gemeinsam, und zwar an den zellularen Vorgängen in den Nervenbündeln beim Abruf von Gedächtnisinhalten aus dem Langzeitgedächtnis – ein Arbeitsfeld, das beide sehr spannend fanden.

Maria, die mit Stefan in dessen kleiner Zweizimmerwohnung in Prenzlauer Berg wohnte, war Ende Dezember 2019, also zur Zeit von Stefans Entlassung im achten Monat schwanger und im Mutterschutz.

Da sie aber nicht in Berlin entbinden wollte – die Wohnung in Prenzlauer Berg erschien ihr für das neue Leben mit einem Baby völlig ungeeignet, sie und Stefan auch trotz intensiven Suchens keine größere und schönere Wohnung gefunden hatten, flog Maria nach Innsbruck zu ihren Eltern, um das Kind dort zur Welt zu bringen.

Zur Geburt seines Sohnes Moritz Ende Januar 2020 war Stefan in Innsbruck, musste aber Maria und Moritz sehr bald wieder verlassen, weil er sich auf eine Mitarbeiterstelle am Institut für Veterinär-Physiologie der FU Berlin beworben und einen Vorstellungstermin bei Institutsleiterin Prof. Dr. Saleha Ferhad hatte. – Kurz dazu: Stefan erhielt die Stelle.

In Erwartung von Maria mit dem Baby hatte Stefan die kleine Altbauwohnung in Prenzlauer Berg mit Scheuersand und Zitronensäure sehr gründlich gereinigt, Flur, Küche und Badezimmer neu tapeziert – und überhaupt alles liebvoll hergerichtet.

Aber der für Ende März gebuchte Rückflug von Maria mit dem Baby nach Berlin war in Folge der Corona-Krise gecancelt worden.

Allein in Berlin unternahm Stefan nun kleine Wanderungen im faden, flachen Brandenburg.


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