Montag, 27. Dezember 2021

 

Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

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 Schwarzmeerfrauen

 

Eine Stunde braucht Irene für die Fahrt mit U- und S-Bahn von Berlin-Marzahn nach Berlin-Friedenau, wo sie drei Mal pro Woche in der Wohnung ihrer Enkelin Olga auf ihre Urenkelin Helene aufpasst.

Irene, 1938 als Schwarzmeerdeutsche in der Südukraine geboren, wuchs in Krasnojarsk auf, weil ihre Familie während des Zweiten Weltkrieges 1941 nach Sibirien deportiert wurde. –

1967 heiratete Irene, Sportlehrerin, den Russlanddeutschen Gerhard Andrejewitsch Weber, Ingenieur.

1990 siedelte die Familie mit zwei Töchtern, Erika und Maria, nach Berlin um, wo sie in Marzahn in eine ordentliche Plattenbauwohnung einzogen.

Beide Töchter studierten. Maria wurde Anästhesistin und heiratete einen Chirurgen; deren beider Tochter Olga ist HNO-Ärztin, verheiratet, mit einem Kind; Erika arbeitet als Grafikerin und lebt alleine.

Die Reisen durch Berlin fallen Irene von Mal zu Mal schwerer, aber sie freut sich dann doch sehr, ihre Urenkelin Helene zu sehen und mit ihr zu spielen.

An ihren Tagen in Friedenau übernimmt sie Olgas Haushalt und kauft dafür morgens, wenn sie mit der S-Bahn am Bundesplatz eintrifft, bei ALDI ein.

Für Gerhard Andrejewitsch kauft sie Leberwurst, und damit macht sie ihm, wenn sie abends nach Hause zurückkehrt, eine besondere Freude, denn die ALDI-Leberwurst erinnert Gerhard Andrejewitsch seltsamer Weise an russische Leberwurst mit viel Knoblauch.

 

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