Sonntag, 5. Dezember 2021

 

Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

27

Eine unerhörte Geschichte

Gesine, eine temperamentvolle Rendsburgerin, die nach fixem Wochenendeinkauf des Üblichen – Zucker, Mehl, Kaffee, Kartoffeln, dunkle Schoko zum Backen, Brot, Bier, Selters, Fisch, etc. – mit ihrem Einkaufswagen dem Markt in der Nordmarkhalle zustrebte, um an den Marktständen, an denen sie normaler Weise gerne mit den Leuten ein bisschen schnackte, noch Gemüse und frische Gewürze einzukaufen, war ungeduldig und hatte es sehr eilig, weil sie sich beim jährlich stattfindenden „Rendsburger Herbst“ auf dem Paradeplatz die jungen Männer, die am Baumsägewettbewerb teilnehmen würden, ansehen wollte.

Gesine, die bei all ihren bisherigen Versuchen, mittels Singlebörsen im Internet einen guten Typen zu finden, keinen Erfolg gehabt hatte, wollte es wieder mit der Wirklichkeit versuchen.

Schnell verstaute sie ihren Einkauf, zog sich um, das ärmellose Rote mit dem Glockenrock, hübschte sich auf, sprühte eine Wolke Parfüm in die Luft, drehte sich einmal in der Wolke, sprühte auf ihre Haare, schloss ab, verließ das Haus, lief zur Kreuzung, hielt ihr Smartphone an den ersten E-Scooter und rollte mit zwanzig Sachen los, Richtung „Rendsburger Herbst“.

Sie schob sich durch das Gedränge und stand ganz plötzlich in der Runde um die Baumsäger, verstand sofort, dass beim Sägen mit der Bogensäge nicht nur die Zeit genommen wurde, sondern auch, dass die Scheibe 555 Gramm wiegen sollte.

Gerade war unter Klatschen und Rufen eine Scheibe heruntergefallen, war aufgehoben und gewogen, ihr Gewicht nebst Zeit auf einer Tafel notiert worden – bisher kürzeste Zeit, Gewicht 563 gr. – da sah sich Gesine einem der beiden farbigen Säger gegenüber. Gepackt von der freudigen Erregung ringsumher sprang sie den fremden schwarzen Mann freudig an, umarmte ihn und gratulierte, natürlich auch seinem schwarzem Mitsäger.

Um diese Geschichte zu Ende zu bringen, muss noch erzählt werden, dass die beiden Afrikaner, Akono und Mojo, Freunde seit ihrer gemeinsamen Flucht durch Mali, Niger, Libyen, Italien, 2015 in die Bundesrepublik gekommen, anerkannte Asylbewerber in der BRD,  recht gut Deutsch sprachen und Jobs als Staplerfahrer bei IKEA in Kiel hatten.

Ein halbes Jahr später heirateten Gesine und Akono.

Ihr Baby heißt Mara, und Mojo war Pate.

Ja, es passieren Geschichten, die man kaum glauben kann.

 

klick!

Keine Kommentare: