Illustrierte
Kürzestgeschichten
Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –
wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.
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Eine unerhörte Geschichte
Gesine, eine temperamentvolle Rendsburgerin,
die nach fixem Wochenendeinkauf des Üblichen – Zucker, Mehl, Kaffee, Kartoffeln, dunkle Schoko zum Backen, Brot, Bier,
Selters, Fisch, etc. – mit ihrem
Einkaufswagen dem Markt in der Nordmarkhalle zustrebte, um an den Marktständen,
an denen sie normaler Weise gerne mit den Leuten ein bisschen schnackte, noch
Gemüse und frische Gewürze einzukaufen, war ungeduldig und hatte es sehr eilig,
weil sie sich beim jährlich stattfindenden „Rendsburger Herbst“ auf dem
Paradeplatz die jungen Männer, die am Baumsägewettbewerb teilnehmen würden,
ansehen wollte.
Gesine, die bei all ihren bisherigen
Versuchen, mittels Singlebörsen im Internet einen guten Typen zu finden, keinen
Erfolg gehabt hatte, wollte es wieder mit der Wirklichkeit versuchen.
Schnell verstaute sie ihren Einkauf, zog sich
um, das ärmellose Rote mit dem Glockenrock, hübschte sich auf, sprühte eine
Wolke Parfüm in die Luft, drehte sich einmal in der Wolke, sprühte auf ihre
Haare, schloss ab, verließ das Haus, lief zur Kreuzung, hielt ihr Smartphone an
den ersten E-Scooter und rollte mit zwanzig Sachen los, Richtung „Rendsburger
Herbst“.
Sie schob sich durch das Gedränge und stand
ganz plötzlich in der Runde um die Baumsäger, verstand sofort, dass beim Sägen
mit der Bogensäge nicht nur die Zeit genommen wurde, sondern auch, dass die
Scheibe 555 Gramm wiegen sollte.
Gerade war unter Klatschen und Rufen eine
Scheibe heruntergefallen, war aufgehoben und gewogen, ihr Gewicht nebst Zeit
auf einer Tafel notiert worden – bisher kürzeste Zeit, Gewicht 563 gr. – da sah
sich Gesine einem der beiden farbigen Säger gegenüber. Gepackt von der
freudigen Erregung ringsumher sprang sie den fremden schwarzen Mann freudig an,
umarmte ihn und gratulierte, natürlich auch seinem schwarzem Mitsäger.
Um diese Geschichte zu Ende zu bringen, muss noch erzählt werden, dass die beiden Afrikaner, Akono und Mojo, Freunde seit ihrer gemeinsamen Flucht durch Mali, Niger, Libyen, Italien, 2015 in die Bundesrepublik gekommen, anerkannte Asylbewerber in der BRD, recht gut Deutsch sprachen und Jobs als Staplerfahrer bei IKEA in Kiel hatten.
Ein halbes Jahr später heirateten Gesine und
Akono.
Ihr Baby heißt Mara, und Mojo war Pate.
Ja, es passieren Geschichten, die man kaum glauben kann.
klick!
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