Montag, 13. Dezember 2021

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

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 Aglaias Pflaster

Beim schlaftrunkenen Gang in die Küche fiel ihr Blick auf den großen Hibiskus neben dem Wohnzimmerfenster. Die frühmorgendlichen Sonnenstrahlen trafen den Baum so, dass viele seiner Blätter grüngolden aufleuchteten. Dazu die Schatten, dunkle Kontraste. Aglaia war verblüfft, sie ging zurück und griff ihr Smartphone, um diesen grüngolden-schwarzen Effekt zu fotografieren, für ihr Tagebuch. Aglaia liebte plötzliche ästhetische Überraschungen im Alltag.

Neben den Teepott und die ausgebreitete Zeitung schüttete sie aus dem Glas mit Nüssen, Mandeln, getrockneten Kirschen und Pflaumen, die Mischung, die immer auf dem Tisch stand, auf die Tischplatte, zog den Schreibblock heran und notierte, was sie heute einkaufen wolle. Was sie notiert hat, braucht sie nicht mehr im Kopf zu haben.

Sie sah die gedruckten Sonnenblumen auf dem Zettel und sie erinnerte sich, dass ihr die Apothekerin diesen Schreibblock für zwei Euro aufgeschwatzt hatte. Die beiden Euros seien eine Spende für die Albert Schweitzer Kinderdörfer, Lebensgemeinschaften für Kinder, die nicht in ihren Herkunftsfamilien leben könnten. Na, gut.

Eigentlich war sie in die Apotheke gegangen, um zu sehen, ob die Apothekerin neue Pflaster hereinbekommen hatte.

Aglaia war stolz auf ihre Plastersammlung. Vor etwa zehn Jahren hatte sie angefangen, Kinderpflaster mit Motiven, sogenannte Trostpflaster, zu sammeln, und jetzt besaß sie  die wahrscheinlich größte Kinderpflastersammlung der Welt, vier Regale mit Wundpflastern. Kinderpflaster für Mädchen und Jungen. Wundschnellverbände mit Motiven wie Fußball, Micky Maus, Piraten und Goldmünzen, mit Robotern, Engeln, Schmetterlingen, einfach mit all den Motiven, mit denen man Kinder bediente, um ihnen und ihren Eltern das Geld aus den Taschen zu ziehen.

Aber kritische Überlegungen zu ihren Pflastern verbot sich Aglaia. Ihr kam es darauf an, die Sammlung zu vervollständigen. Neuerdings sammelte sie auch die hübschen Blechdosen für Pflaster.

Von der Apothekerin, zu der Aglaia ein freundschaftliches Verhältnis hatte, hatte sie erfahren, dass in USA neuerdings Design-Pflaster mit Jesus-Motiven herausgekommen seien.

Die wollte sie sich bei Amazon bestellen und darum notierte sie gedankenverloren wieder Pflaster.

Bevor sie die Zeitung aufschlug, stellte sie sich ein Jesus-Pflaster vor.

Toll! Ein Jesus-Pflaster!

Eine bessere Idee konnte es nicht geben!

Unser Heiland, das Pflaster, die aufgelegte Hand!

Das Wunder.

Das Wundheilpflaster.

 

 

klick!

 

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