Donnerstag, 6. Januar 2022

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

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Das Eulentattoo

Franziska und Anna-Maria, beide 36, erwarten Besuch aus ihrer beider Heimat, aus Dresden.

Erwartet wird Dr. phil. Jessica Bock, ebenfalls Dresdnerin und 36, Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am DDF, am Deutschen Digitalen Frauenarchiv.

Franziska, die voriges Jahr an der Tagung des SLpB1 „100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland. Zur Geschichte der politischen Partizipation von Frauen in Sachsen“ teilnahm, hatte Jessica nach deren Vortrag kennengelernt und zu einem Besuch nach Berlin-Friedenau eingeladen.

Franziska hat erst in Dresden, dann an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee Malerei und Visuelle Kommunikation studiert. Mittlerweile arbeitet sie als künstlerische Mitarbeiterin für Experimentelle Materialforschung in Weißensee. Mit ihrer Freundin Anna Maria, Bibliothekarin an der HUB, bewohnt sie in Berlin-Friedenau ein geerbtes, geräumiges Dachatelier.

Zum Abendessen wollen Franziska und Anna-Maria ihrem Gast „Original Sächsische Rinderrouladen“ anbieten.

Franziska hatte nach der Dresdener Tagung während des gemeinsamen Abendessens der Tagungsteilnehmerinnen in einem Lokal in der Nähe der Frauenkirche bemerkt, dass Jessica Bock am linkenOberarm ein sehr großes Tattoo trägt, eine Eule. Sie hatte Jessica darauf angesprochen, und so hatte sich eine lockere Unterhaltung zwischen den beiden Frauen entwickelt. Nicht nur Jessicas Engagement im feministischen Kultur- und Bildungsbereich und ihre Beteiligung an Oral-History-Projekten in Deutschland, Polen und der Ukraine beeindruckten Franziska sehr, sondern auch die große Eule auf Jessicas Oberarm. 

Jetzt beim Rotwein nach der Rinderroulade und dem wunderbaren Himbeeren-Nachtisch bittet Franziska Jessica, Anna-Maria, der Eulensammlerin, ihr Tattoo zu zeigen. „Anna-Maria kennt sich mit Eulen aus, Eulen als Symbol, Metapher, Eulenmythologie, Anna-Maria weiß alles über Eulen!“

„Toll an Deinem Eulentattoo, finde ich“, sagt Anna Maria, „dass es nicht designt ist, dass es weder eine hyperrealistische, noch eine dekorativ verkitschte Eule ist, dass es eben kein typisches Eulentattoo der Tattoostecher ist, sondern eine schöne, offene Eulenskizze oder Eulenzeichnung – wie von Adolph Menzel, schiebt sie leise hinterher.

„So eine Eule lass’ ich mir auch stechen -, aber du musst sie mir zeichnen“, sagt sie zu Franziska.

„Okay, ich zeichne Eulen für Dich – aber ich will auch Nanne Meyer2 bitten, für Dich ein paar Eulen zu zeichnen.“

„Darauf trinken wir noch ein Glas.“

Mit „Uhhhuuu!“ stoßen die Drei fröhlich an.

 

1  SLpB = Sächsisches Landesamt für politische Bildung, Dresden

2  Nanne Meyer (* 1953 in Hamburg) ist eine deutsche bildende Künstlerin, die in Berlin lebt und arbeitet. Ihr Werk besteht aus Zeichnungen, Collagen und der Herstellung von Künstlerbüchern. Sie war als Professorin an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee tätig. Wikipedia

 

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