Sonntag, 14. November 2021

 

Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

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Sändi bei Maren W.

 Dass sie eines Tages in der Community der „Lebensmittelretter“ für deren Webseite, speziell für den Bereich Festivals und food-sharing-Events, verantwortlich sein würde, das hätte sie sich nicht träumen lassen, als sie noch Klavierlehrerin war und ihr Geld hauptsächlich mit Gongbad & Meditation verdiente.

Maren war zwar schon in ihrem Elternhaus antikapitalistisch aufgewachsen, aber erst seit dem sie bei den Foodsharern war, kämpfte sie wirklich politisch – intensiv für die Legalisierung des Containerns. Das war eine Arbeit, bei der sie sich – gerade 36 Jahre alt geworden – richtig gut fühlte.

Wenn sie bloß diesen verfluchten Bello los wäre, diesen ewig wirbeligen Rüden, diese weiß-graue Promenadenmischung.

Maren hatte Sändi von ihrer Erbtante Christiane geerbt. Sie hatte Tante Christiane versprechen müssen, Sändi nicht in ein Tierheim zu geben und ihn bei sich zu halten – anders hätte sie wohl das prächtige Erbe nicht antreten können.

Hätte sie Sändi ausstehen können, hätte sie ihn geliebt, wäre es ja gut gewesen, aber so.

Sie hatte mit Google recherchiert, dass zuviel Süßes bei Hunden einen tödlichen Abfall des Blutzuckerspiegels auslösen konnte.

Also fügte sie dem Hundefutter, vor allem „Pferd mit Kartoffeln“ und „Rentier und Rind mit Steckrüben & Fenchel“, die Sändi immer gierig verschlang, jeden Tag eine gehörige Portion Agavendicksaft bei.

Sändi war auch schon ruhiger, dicker und langsamer geworden.

Ihr neuer Freund Daniel hatte einmal gefragt, warum sie dauernd Agavendicksaft einkaufe, und sie hatte geantwortet: „Weil er so verdammt gesund ist“.

Müsste ich nicht wenigstens ein schlechtes Gewissen haben, fragte sie sich, wenn sie sah, wie zärtlich Daniel und Sändi miteinander waren.

 

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