Dienstag, 1. Februar 2022

 Illustrierte Kürzestgeschichten

Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –

wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.

 

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Ioana und Sabije 

Hinter diesem kleinen Zettel verbirgt sich ein großes gemeinsames Essen, das Fastenbrechen nach Sonnenuntergang. 

Ioana, eine stolze Pomakin hat diesen Einkaufszettel geschrieben, damit Gergana genau weiß, was sie für ihre Mutter einkaufen soll. Iona will Ramadan-Suppe mit Kichererbsen, Börek mit Feta, gefüllte Paprika mit Hackfleisch, Maisgries mit Pinienkernen, Frauenschenkel-Köfte und knusprige Geflügelstreifen zubereiten. Zum Abschluss soll es Engelshaar-Desert geben. Ioanas dreißigjährige Tochter Gergana hilft bei der Zubereitung. Eingeladen sind die pomakischen Freunde in Berlin.

Ioana putzt schwarz in verschiedenen, über ganz Berlin verteilten Wohnungen, meistens zwei bis vier Stunden in jeweils zwei Wohnungen pro Tag. Da alle ihre Auftraggeber viel mehr als den deutschen Mindestlohn zahlen, verdient sie ziemlich gut und kann einiges sparen. Seit fast zwölf Jahren putzt Ioana in Berlin und versorgt so die große Familie bei Plowdiw. Alle drei Monate fährt sie im Sammelbus nach Plowdiw. Dann wird sie in Berlin von einer ihrer drei Töchter abgelöst. Aber Dara fällt dieses Jahr aus, weil sie ein Baby erwartet.

Ioana wohnt mit Gergana und deren Freund Todor, der als „Mann für alles“ eine gute Stelle bei einem Berliner Altbausanierer hat, in einer kleinen gemeinsamen Wohnung, die ihnen ein bulgarischer Arzt ziemlich teuer vermietet.

Ioana trifft wenigstens einmal im Monat ihre alte Freundin Sabije aus der Nähe von Plowdiw, ebenso Pomakin und Putzfrau. Sie treffen einander in ihren kleinen Wohnungen. Aber wenn es draußen schön ist, treffen sie sich im Körnerpark. Leise singen sie dort  im Park ihre Volkslieder.  Einmal haben sie aufgezählt, wie viele pomakische Volkslieder sie singen können. Es waren 136! 

 

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