Illustrierte Kürzestgeschichten
Inspiriert durch gefundene Einkaufszettel –
wöchentlich erzählt von März 2019 bis Juli 2020.
Smartes Handling
Am Samstag in der der Bio Company steht ein großer Mann
vor mir an der Fleischtheke. Ich sehe, dass er immer erst auf sein Smartphone
guckt, bevor er dem Fleischverkäufer seinen nächsten Wunsch nennt.
„Hat Ihre Frau Ihnen einen Einkaufszettel aufs Smartphone
geschickt?“ frage ich ihn neugierig und unvermittelt von hinten. Sich zur mir
umdrehend, sagt der große und, wie ich jetzt sehe, junge Mann vor mir
freundlich: „Nein, meine Frau und ich benutzen eine Einkaufsliste-App, auf der
wir notieren, was wir einkaufen müssen. Was ich einkaufe oder eingekauft habe,
kann meine Frau auf ihrem Smartphone sehen und umgekehrt.“
In diesem Augenblick fragt der Fleischverkäufer etwas, und
der junge Mann vor mir wendete sich wieder um.
Nach Hause zurückgekehrt, gebe ich bei Google
„Einkaufsliste-App“ ein und lese, wie diese App funktioniert und was sie für
das Einkaufen leistet, nämlich:
„Übersichtlichkeit: Im Supermarkt will man auf den ersten Blick seinen
geplanten Einkauf überblicken können. Leichtes
Handling: Wer im Supermarkt mit dem Smartphone in der Hand
nicht ständig Menschen anrempeln will, der braucht eine App, die sich einhändig
bequem bedienen lässt. Inhalte
abhaken: Was im Warenkorb liegt, sollte aus der Liste
verschwinden, damit diese übersichtlicher wird und so nicht untergeht, was am
Ende noch nicht gekauft wurde“.
Da begreife ich, dass aufgeweckte junge Menschen
heutzutage ihre Einkaufszettel nicht mehr auf Papierchen zu schreiben brauchen.
Ich jedoch möchte keine Einkaufsliste-App auf meinem
Smartphone haben. Ich würde sie lästig finden, weil ich das Tippen auf die
winzigen Smartphonetasten nicht mag, weil es umständlicher ist – und weil ich
lieber auf quadratische Notizzettel schreibe, was ich brauche. Außerdem brauche ich die Einkäufe mit niemanden abzustimmen.
Wenn ich mir aber vorstelle, wie es gewesen wäre, wenn es
1968 schon Smartphones und Einkaufsliste-Apps gegeben hätte, dann hätten Monika
und ich garantiert Einkaufsliste-Apps heruntergeladen und benutzt.
1968 waren wir doch Avantgarde.
klick!
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